Vom Osteraufstand zur Unabhängigkeit

Es ist dies die Geschichte von der Teilung Irlands, von bewaffnetem Kampf, Terror und Gegenterror, Spionage, Machtkämpfen, Verhandlungen und Michael Collins.

Zur Vorgeschichte siehe auch: Die Geschichte des Osteraufstandes

Michael Collins

Michael Collins wurde am 18. Oktober 1890 bei Clonakilty in West Cork geboren. Er wuchs auf der Farm seiner Eltern auf. Er war ein aufmerksamer Beobachter und arbeitete in seiner Jugend als Reporter.

Im Jahre 1906 ging er nach London, um bei einer Bank zu arbeiten. Auch dort war er für Irland aktiv und engagierte sich in der Gaelic Athletic Association. 1909 trat der der Irish Republican Brotherhood bei, einer Organisation, die im Gegensatz zur Sinn Fein auf Gewaltanwendung setzte.

Er war ein Mensch, der stets seinen Willen durchsetzen wollte, und erwartete von allen anderen, dass sie ihn dabei unterstützten. Oft stieß er die Leute vor den Kopf, wirkte starrsinnig und arrogant.

1916 ging Collins nach Irland zurück, um an einem geplanten Aufstand teilzunehmen.

Die Trümmer des Osteraufstandes

Nach dem Osteraufstand waren große Teile Dublins beschädigt, zerstört und abgebrannt, insbesondere die Hauptstraße Sackville Street (heute O’Connell Street). Die Führer der Aufständischen waren erschossen worden, die anderen und bei der Gelegenheit noch ein paar mehr wurden in Gefangenenlager nach Großbritannien gebracht, darunter auch Collins. Die Bevölkerung war zunächst wütend auf die Aufständischen, weil auch viele Zivilisten ums Leben gekommen waren und weil die Stadt arg gelitten hatte.

Als jedoch Pearse, Connolly und die anderen erschossen waren, stellte man fest, dass sie ja immernoch Iren waren, und plötzlich wendete sich die Meinung der Bevölkerung (und diesmal endgültig) gegen England.

Im englischen Gefangenenlager begannen die Inhaftierten, durch das Schmuggeln von Briefen und anderen Operationen, erstmals, die Briten mit „geheimdienstlichen“ Methoden zu bekämpfen. Im Dezember 1916 wurden sie aus der Haft entlassen.

Neuanfang

Zurück in Dublin begann Collins, als Sekretär für eine nach dem Osteraufstand und zum Wohle der Opfer gegründete Hilfsorganisation zu arbeiten. Das ermöglichte ihm viele Kontakte, und er half maßgeblich, die IRB wieder aufzubauen, da er ein effizienter Organisator war, was ihm später noch sehr nützlich werden sollte.

Am 25. Oktober 1917 vereinigten sich die verschiedenen separatistischen Bewegungen in der Sinn Fein unter Führung von Eamon De Valera. Dieser hatte auch als Führer am Osteraufstand teilgenommen, war aber wegen seiner amerikanischen Staatsbürgerschaft nicht erschossen worden. Er vertrat eine gemäßigte Position und wollte eher mit Wahlzetteln als mit Waffen kämpfen. Trotzdem verstand er es auch, die Radikaleren wie Collins für sich einzuspannen und zu begeistern.

Erneut entzündete sich ein politischer Streit um die Ausdehnung der britischen Wehrpflicht auf Irland. Die Sinn Fein startete eine massive Kampagne gegen die Wehrpflicht. Allerdings wurde die gesamte Sinn-Fein-Führung im Mai 1918 unter fadenscheinigen Argumenten inhaftiert.

Über die Polizisten Joe Kavanagh und Ned Broy, die beide als Spitzel für Collins arbeiteten, wusste man zwar von dem Vorhaben, doch man beschloss, dass es im Hinblick auf eine anstehende Nachwahl eine gute Strategie sei, sich verhaften zu lassen. Diese Strategie wurde ein voller Erfolg, und das Wehrpflichtgesetz wurde nicht auf Irland angewandt.

Da die gesamte Führung der Sinn Fein (u.a. De Valera, Griffith, MacNeill) inhaftiert war, hatten plötzlich die militanteren Kräfte wie Collins eine ungeahnte Machtfülle. Es wurden massive Protestveranstaltungen organisiert, und Collins baute erneut ein Schmuggelnetz auf, um mit den inhaftierten Führern Kontakt zu halten. Allerdings war er eher ein Mann der Tat (und auch ein Workaholic, wenn es das Wort damals schon gegeben hätte) und verabscheute die Politik („Der Teufel hole diese Wahlen!“).

1918 war der Krieg vorüber, und die Iren, die mit England gekämpft hatten, wurden von den Landsleuten gehasst und von den Engländern verraten. 200.000 hatten gekämpft, und 50.000 waren gefallen. Für den 14. Dezember 1918 wurden allgemeine Wahlen ausgeschrieben. Die Sinn Fein stellte auch die Inhaftierten als Kandidaten auf (zum Teil ohne dass diese davon wussten) und errang einen überwältigenden Sieg.

Man wird aktiv

Allerdings weigerte sich die Sinn Fein, die Macht des englischen Parlaments anzuerkennen. Statt dessen trat am 21. Januar 1919 im Dubliner Mansion House, seit 1715 Sitz des Dubliner Bürgermeisters, der Dáil Éireann, das irische Abgeordnetenhaus, zusammen, proklamierte die Unabhängigkeit und stellte eine provisorische Regierung auf. Am gleichen Tag wurden in der Grafschaft Tipperary zwei Polizisten, die einen Sprengstofftransport für ein Bergwerk bewacht hatten, getötet. Dies gilt als der Beginn des anglo-irischen Krieges.

Unterdessen organisierte Collins die Befreiung dreier Inhaftierter in England, darunter Eamon De Valera, und schmuggelte sie nach Irland. Auch gelang es ihm, eine große Zahl von in Dublin Inhaftierten zu befreien.

Am 1. April 1919 wurde Eamon De Valera vom Dáil zum Príomh Aire, zum Leiter der provisorischen Regierung, gewählt. Collins wurde Finanzminister, weil er als Bankangestellter gearbeitet hatte. Er hatte das Geld für den Kampf um die Unabhängigkeit zu organisieren, und begann, Pfandbriefe herauszugeben. Innerhalb eines Jahres brachte er eine Viertelmillion Pfund zusammmen.

Gleichzeitig wurde er zum Leiter des Nachrichtendienstes ernannt. Der britische Geheimdienst, die Gegenseite, galt als der beste der Welt, besonders nach seinen Leistungen im Krieg gegen Deutschland. Collins schuf ein weitverzweigtes System aus Informanten und Informationsdienst, Waffen- und Menschenschmuggel und Fluchtmöglichkeiten, das allein unter seiner Übersicht und Kontrolle stand. Er begann damit, jede noch so kleine Information über Polizeibeamte und englische Angestellte zu sammeln. Er „rekrutierte“ im ganzen Land Leute der verschiedensten Berufsgruppen, darunter auch Polizisten wie Kavanagh und Broy. Mit diesen hatte er sein Ohr überall und auch im Zentrum der Polizei.

Er ließ sich sogar von Broy eine Nacht im Polizeiarchiv einschließen, nahm Einsicht in die Akten und informierte sich über die britischen Agenten. Zwei Tage später erhielten die Beamten eine öffentliche Warnung, ohne dass einer von ihnen verletzt wurde. De Valera war eher für die friedliche Methode der „sozialen Ächtung“ der Polizisten, und auch das brachte viele zur Aufgabe. Einige erwiesen sich aber als zu hart, und so wurde eine Einheit aufgestellt, deren Aufgabe die Ermordung von Polizisten war.

In der Folgezeit wurden Polizisten und Beamte aus verschiedenen Gründen erschossen. Einige, weil sie ihre Suche nach den Mitgliedern der inzwischen so genannten IRA (Irish-Republican Army) nicht aufgaben, andere, weil sie nach Collins suchten, weitere, weil sie auf der Suche nach dem Geld der Sinn Fein waren, und wieder andere, weil sie die IRA unterwandert hatten. Von letzteren wusste man über die Leute, die die Polizei unterwandert hatten.

Durch sein weit verzweigtes Agentennetz war Collins den Briten immer einen Schritt voraus und wusste meistens auch, wenn sie einen Agenten in die IRA einschleusen wollten. Auch Collins selbst wurde intensiv gesucht, da man jedoch annahm, dass er eine Art bewaffnete Leibgarde bei sich hatte, traute man sich nicht so recht an ihn heran. Er jedoch fuhr allein im Anzug auf dem Fahrrad in Dublin herum und benahm sich keineswegs unauffällig. Allerdings hatte er über Jahre hinweg keine eigene Wohnung und schlief gewöhnlich jede Nacht woanders. Oft entkam er einer Verhaftung nur um Haaresbreite.

Durch ein Verbot des Dáil und der Sinn Fein entzogen die Briten den gemäßigten Kräften der Widerstandsbewegung endgültig den Boden. Auch bekämpften sie die Pfandbriefe. Diese wurden daher von Collins recht einfallsreich beworben, unter anderem mit einem kurzen Film, mit dem Bewaffnete in die Kinos eindrangen, die Vorführer zwangen, ihn zu zeigen und dann wieder verschwanden.

Gegenmaßnahmen

1920 begannen die Briten, die Verwaltung in Dublin grundlegend umzukrempeln, und besetzten wichtige Position mit „Hardlinern“. Auch übernahmen sie einige Taktiken der IRA, insbesondere die Morde. Bei einem Fall in Cork wurde der Lord Mayor von Cork (gleichzeitig Kommandant der lokalen IRA) nachts in seinem Haus erschossen. Bei der anschließenden Untersuchung befanden die Geschworenen den britischen Premier Lloyd George und andere hohe Beamte (in Abwesenheit) des Mordes für schuldig.

Die englische Führung war der Überzeugung, dem Terror mit größerem Terror begegnen zu können. Wegen der Übergriffe auf Polizisten und der sozialen Ächtung verließen monatlich mehr als 200 Polizisten ihre Einheiten. Um sie zu ersetzen, wurden in England eilig Weltkriegsveteranen angeworben. Sie erhielten guten Lohn, aber in der Eile keine ordentlichen Uniformen. Sie standen sehr bald in dem Ruf, eine skrupellose Truppe zu sein, und wurden wegen der schwarzen Uniformen „Black and Tans“ genannt. Sie betrachteten bald auch die Zivilbevölkerung als ihre Feinde und benahmen sich auch so.

Weiterhin gab es die so genannten Auxiliaries (Hilfstruppen), schwer bewaffnete Eliteeinheiten, die sogar Panzerwagen hatten. Auch sie waren recht gewalttätig. Insgesamt führte das Auftreten der neuen „Polizisten“ dazu, die Zivilbevölkerung noch schneller zu Sympathisanten der Sinn Fein zu machen.

Es kam zu einem regelrechten Krieg zwischen irischen und englischen Killertruppen und Agenten. Terror und Gegenterror, Warnungen und Rache. Am 21. November 1920, ebenfalls einem „Bloody Sunday“, wurden in ganz Dublin an die 50 englische Offiziere erschossen. Daraufhin feuerten die Auxiliaries bei einem Gaelic-Football-Spiel im Croke Park Stadion wahllos in die Zuschauermenge und behaupteten später, sie wären von diesen beschossen wurden (diese Sorte „Begründungen“ scheinen eine Tradition der Briten an „Bloody Sundays“ zu sein).

Auch in England verübte die IRA Anschläge, jedoch meist mit dem Ziel, möglichst hohen Sachschaden anzurichten.

Friedensprozess

Gegen Ende des Jahres 1920 boten die Engländer den Iren insgeheim Verhandlungen an, um Irland den Status eines Dominions (eigene Staatsgewalt, aber Anerkennung des britischen Monarchen) zu geben. Collins lehnte dies ab, da er auf einer Republik bestand und eine Verschleierungs- und Hinhaltetaktik vermutete.

Im Dezember nahm der Erzbischof von Perth (Australien), ein gebürtiger Ire, erneuten Kontakt mit Collins auf (wobei sich die Engländer darüber ärgerten, dass der Bischof Collins nach wenigen Tagen finden konnte, sie aber nicht), um über einen Waffenstillstand zu verhandeln. Man erklärte sich unter der Bedingung bereit, dass der Dáil wieder ungestört zusammentreten dürfe. Aber Collins war immernoch skeptisch.

Mit Recht. Lloyd Georges Position hatte sich eher verhärtet, und er kündigte für den Sommer die Ausrufung des Kriegsrechtes im Süden Irlands an, woraufhin die Black and Tans Amok liefen. Es kam nicht zu einem Waffenstillstand, auch weil die Briten, nachdem eigentlich alles abgestimmt war, plötzlich neue Forderungen erhoben, die einer Kapitulation gleichkamen.

Auch hinter den Kulissen von IRA und Sinn Fein gab es beträchtliche Meinungsverschiedenheiten. Eamon De Valera (nicht so ganz korrekt der „Präsident der irischen Republik“) hatte seine eigenen Ansichten über die Unabhängigkeit, die Meinung und Hilfe der Amerikaner und den bewaffneten Kampf. Damit war Collins überhaupt nicht einverstanden, obwohl er sich immer als De Valera gegenüber loyal betrachtete. Auch von anderer Seite wurde Collins wiederholt angefeindet, jedoch weniger aufgrund seiner Erfolge, sondern aufgrund seiner Persönlichkeit und dem Stil seiner Amtsführung.

Am 11. Juli 1921 endete der anglo-irische Krieg: es wurde doch ein Waffenstillstand unterzeichnet, und man nahm Verhandlungen über den künftigen Status Irlands auf.

Der Vertrag

Schon bei Beginn der Verhandlungen erkannte De Valera, dass eine Republik sowohl mit den Engländern als auch mit der überwiegend loyalistischen Provinz Ulster nicht zu machen war. Daraufhin entschloss er sich, mit seinen unnachgiebigen Gefolgsleuten als „Symbol der Republik“ in Irland zu bleiben und die Verhandlungen, die absehbar schmerzhafte Kompromisse erfordern würden, anderen zu überlassen, darunter Collins. Für Collins hatte dies den zusätzlichen Nachteil, dass die Briten nun wussten, wie er aussah.

Am 11. Oktober begannen die Verhandlungen. Am 6. Dezember wurde der anglo-irische Vertrag unterzeichnet. Er sicherte Irland den Namen „Irish Free State“ und den Status eines Dominions zu, ähnlich dem Kanadas. Der Norden der Insel (größtenteils die Provinz Ulster) verblieb nach einer Abstimmung auf eigenen Wunsch bei England, weil die Abstimmungsgrenzen so geändert worden waren, dass eine unionistische Mehrheit zustande kam. Collins ahnte, dass er sein Todesurteil unterschrieben hatte.

In Irland kam es, wie vermutet, zu starken (und später bewaffneten) Spannungen. Nach einer heftigen Debatte nahm der Dáil den Vertrag mit 64 gegen 57 Stimmen an. Daraufhin verließen De Valera und seine Gefolgsleute (später die „Irregulars“ genannt) die Versammlung. Arthur Griffith wurde neuer Präsident des Dáil, und eine neue provisorische Regierung mit Collins an der Spitze wurde gewählt.

Nachtrag

In der Folgezeit bemühte sich Collins meist vergeblich, mit den Irregulars und auch mit der Provinz Ulster eine dauerhafte Einigung zu erzielen. Am 14. April 1922 besetzten die Irregulars die „Four Courts“ (Gerichtsgebäude) in Dublin. Auch auf anderen Gebieten erlitt er nur Rückschläge. Am 28. Juni begann mit dem Befehl zum Sturm auf das Gerichtsgebäude der irische Bürgerkrieg.

Am 22. August wurde Collins auf einer Reise im County Cork aus einem Hinterhalt erschossen.

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