Tagebuch 2018

Vorbetrachtungen

Leider erst kurz nach unserem Vorjahresurlaub kam eine bekannte irische Fluggesellschaft mit dem Vorschlag um die Ecke, Interessenten für ’n Appel und ’n Ei von Berlin-Schönefeld nach Kerry (Flughafen zwischen Tralee und Killarney) zu fliegen. Eigentlich sind solche Vorschläge laut unserem Vater ja verbeten („führe uns nicht in Versuchung“), aber es entsteht der Plan, das erstbeste lange Wochenende (oder so) in der Creativity Cabin zu verbringen. Kerry Airport ist für den Südwesten deutlich zeitsparender und darum besser geeignet als die Anfahrt aus Dublin, von den potenziellen Spezialproblemen wie im letzten Jahr ganz zu schweigen.

Das erste wirklich greifbare lange Wochenende gehört zu den Osterferien 2018. Natürlich kostet der Flug dann einen halben Appel mehr oder hat ernsthaft ungünstige Termine oder beides, aber wir finden eine Lösung, und sie dauert glücklicherweise gleich eine ganze Woche. Das mit den Eiern ist ein anderes Thema.

Bleibt noch die Frage nach einem Mietwagen. Es ist mir sehr peinlich, das… ähm… einzugestehen, aber… da wir ja hier unter uns… also… naja, ich habe vorgeschlagen, ein… ohnehin nur kleines… zählt ja dann gar nicht so richtig… wirklich nicht so großes… Tschuldigung, muss mich räuspern… Sportgerätevehikel („SUV“) zu mieten. Begründung: Einige der kleineren Straßen und Wege auf Beara sind nicht ganz so glatt, besonders wenn man sie jeden Tag mehrmals befährt. Erste Sondierungen ergeben, dass ein solches Vehikel nicht sehr viel teurer sein muss als ein normaler Kleinwagen. Die kleineren von ihnen sind letztlich, besonders was Innen- und Stauraum betrifft, ohnehin oft nur unhandlichere hochgebockte Kleinwagen mit dickerer Karosserie, größeren Rädern und einer allgemein pyramidenähnlichen Form. Wir wollen keinen von den regenwaldbeplankten Mannschaftstransportpanzern, wie sie von schlecht ausgebildeten Eltern verwendet werden, um ihre Kinder in den Garten zu bringen.

Als wir zur konkreten Online-Buchung schreiten wollen, stellen wir mal wieder fest, wie blöd Computer sein können, und dass künstliche Intelligenz noch auf lange Sicht ein Werbegag ist (was natürlich niemanden davon abhält, sie trotzdem auf die Menschheit loszulassen. Wer ist schuld, wenn ein autonomes Auto jemanden wegen eines Bugs automatisch überfährt? Skynet?). Die Anfrage mit konkreten Uhrzeiten liefert nur die Meldung: „Wir haben heute leider kein Auto für dich.“ Also nicht nur „keinen Suff“, sondern gar kein Auto.

Ein Test mit einer falschen Ankunftszeit ein paar Stunden eher zeigt eine lange Liste von Fahrzeugangeboten. Die Website glaubt fest daran, dass die Autovermietung um 17 Uhr schließt, und wir landen erst um 19 Uhr. Tja, Pech gehabt. Früge man (z.B. telefonisch) einen Menschen, würde er so etwas sagen wie: „Ja, stimmt, aber wir hinterlegen die Unterlagen dann immer am Infoschalter“ oder „Das kostet soundsovielzig Euro Sondergebühr“, kurz: eine Lösung vorschlagen können. Ein Computer kennt nur true oder false.

Die folgende mehrwöchige multimediale und persönliche Odyssee übergehe ich hier aus Platzgründen. Den Erfolg gebiert letztlich ein Mailkontakt mit einem Menschen vor Ort.

Kann losgehen.

Am Abend nach Irland
Mittwoch, 28.3.2018

Mondaufgang

Den halben Tag verbringen wir noch mit Arbeit, packen dann den Rest und das Pumpernickel zusammen und reisen zum Flughafen. Es ist kühl, aber die Sonne scheint zwischen den Schneeregenfällen. Nach den Checkinfeierlichkeiten sitzen wir in einer großen Halle und warten. Als unser Flug auf den Anzeigen auftaucht, steht auch schon eine längere Verspätung dabei, eine, die sich auch nicht mehr verflüchtigt, sondern klammert. Statt 17:45 Uhr wird es 20:30 Uhr.

Die Ankunftszeit ist uns ja nicht so wichtig, aber so hundertprozentig haben wir das noch nicht verstanden mit den Öffnungszeiten der Autovermietung. Es waren ja auch widersprüchliche Angaben gemacht worden.

Vor dem er-inneren Auge erscheint die Gegend um den Flughafen Kerry und wird nach zu Fuß erreichbaren B&Bs durchsucht.

Doch nein. Eine Überschlagsrechnung ergibt, dass wir in einem ausgebuchten Flugzeug mit vielleicht 150 Passagieren auch unter ungünstigen Umständen garantiert nicht die einzigen sein werden, die ein Auto mieten wollen. Wir rufen trotzdem an, sind damit aber auch nicht die Ersten, denn man weiß schon von der Verspätung. „Don’t worry, we’ll be there.“ Ein Satz wie eine warme Hängematte.

Der Kerryflug ist auch nicht der einzige, der leidet, im Gegenteil. In den Nachrichten finden wir die Meldung, dass die bekannte irische Fluggesellschaft dem Bodendienstleister gekündigt hat, woraufhin dort eine spontane Betriebsversammlung abgehalten wird. Außerdem müssen alle Flugzeuge enteist werden (nicht: enteisent). Am Kopf einer langen Schlange im Nebengebäude erhalten wir ungenießbare Verzehrgutscheine über vier Euro fünfzig.

Aufregung, Ärger und Hektik sind nicht erkennbar. Auch Start – nach Einbruch der Dunkelheit – und Flug sind in Ordnung, die Sicht sehr gut. Gegen 22:45 Uhr landen wir im dunklen Kerry, auf einem Flughafen, der durch eine 737 an die Grenze seiner Leitungsfähigkeit gebracht wird. Ein Traktor dient als Bodenfahrzeug.

Auch die Sache mit dem Auto klappt in Rekordgeschwindigkeit. Wahrscheinlich, weil ja alle auf ihre Art ins Bett wollen. Wir bekommen ein französisches Modell (als Auto, meine ich), das man wahrscheinlich „Kaptür“ ausspricht, recht schick und ansonsten normal. Der Name bedeutet gefühlt irgendwas mit „Gefangennehmen“. Die ersten Kilometer machen wir aber keine Gefangenen, weil wir nichts sehen, und das liegt daran, dass alle Scheiben tropfnass beschlagen sind. Von innen, und Tuch oder Schwamm gehören natürlich nicht zur Fahrzeugausstattung.

An den Einkauf von Lebensmitteln ist um diese Zeit nicht zu denken, und darum fahren wir einfach an Killarney vorbei und durch Kenmare auf die Beara-Halbinsel. Wir kommen gegen 1 Uhr an. Als der Motor aus ist, hört man nichts mehr. Der Wind weht, aber man hört ihn nicht. Die Luft riecht nach Salz. Doch, man hört etwas: das Meer rauschen und die Wellen ans nicht weit entfernte steinige Ufer donnern.

Hat sich schon gelohnt.

Erkenntnis des Tages: Berge können schön sein, aber nur das Meer macht die Seele auf.
Nachtrag: Und der Wind, natürlich.

Irland ist alles außer grün
Gründonnerstag, 29.3.2018

Nach dem Erwachen strecken wir uns und dann nochmal die Nasen nach draußen, mögen es immer noch und sichten dann die Nahrungsbestände. Tjaha. Da werden wir um einen Schnelleinkauf nicht herumkommen. So steuert der Schriftführer den Fänger durch den Roggen (nein, Quatsch) nach Eyeries und kauft dort das Nötigste: new Tee, new Toast und new Teller (kein new D’Ossi). Auf der Rückfahrt fährt er erstmal ganz in Gedanken an der richtigen Einfahrt vorbei.

Die Sonne scheint, und die grüne Insel strahlt in Gelb und Braun. In schattigen Ecken sammelt sich Reif, oder vielleicht ist es ja doch noch Schnee. Vereinzelt blüht etwas, aber das erste wirkliche Grün lässt auf sich warten, was hauptsächlich den Bauern ernsthafte Probleme bereitet. Sie müssen Futter auf die Weiden schaffen, und das wird landesweit langsam knapp.

Nach dem Frühstück und einem kurzen Schauer samt umfangreicher Regenbögen begeben wir uns auf eine gemütliche Rundfahrt auf Beara. Zunächst über die Küstenstraße nach Ardgroom. Die Begeisterung darüber, wie schön es hier gerade ist und dass wir endlich mal wieder in Irland sind, ist die Ursache für einige alberne Tweets und Smartphonachrichten.

Wir blicken über den Kenmare River auf die noch leicht schneebehauchten Bergspitzen auf der Iveragh-Halbinsel (aka „Ring of Kerry“). Das Auto ist, wie wir heute morgen festgestellt haben, in einem bezaubernden dunklen Rot gehalten, weshalb es in der Landschaft blöderweise sehr fotogen ist. Der in den Irlandfan eingebaute Hobbyfotograf denkt außerdem: „Könnte mehr Schnee sein, wie vor zwei Wochen nach dem heftigen Schneesturm“, aber der Rest vom Fan denkt an die flächendeckenden Lieferengpässe und vereinzelten Plünderungen.

In Ardgroom sind wir von der weiten Reise dermaßen erschöpft, dass wir einen zünftigen Kaffee brauchen. Den gibt es dort ja in einer netten Mischung aus Minimarkt, Post, Bistro, Café, Kohlenhandel und Tankstelle. Dann fahren wir weiter nach Lauragh und von da über den auch sonnenbeschienenen Healy Pass.

Am Healy Pass

Das hört sich jetzt recht schnell an, aber mit den fälligen Fotostopps dauert es länger. Macht aber nichts. Ist Urlaub.

Auf der Südseite fahren wir zurück nach Castletownbere und erledigen nun den richtigen Einkauf – nachdem wir uns knapp vor einem Hagelschauer in den Eingangsbereich des Supervalu gerettet haben. Wir fragen auch nach den für die nächsten Tage geplanten Öffnungszeiten – es wird ja Ostern und so. Aber sie haben immer offen, wirklich. Auch am S…? Wirklich!

Mit gefülltem Auto geht es ab nach Hause, wo wir leider feststellen müssen, dass die umliegenden Wiesen viel zu matschig für einen lauschigen Abendspaziergang sind. Aber der Sonnenuntergang ist super.

Kalauer des Tages: Hail from the Tief!

Irland am Bein
Karfreitag, 30.3.2018

Not the Sheep’s Head

Das schöne Wetter hat sich über Nacht nur versteckt und ist nun wieder voll da. Man könnte die Tage danach einteilen, ob man die Skelligs sieht oder nicht. Heute ist ein ersterer.

Nachdem wir seit dem letzten Urlaub endlich mal den Film Falling for a Dancer gesehen haben, wollen wir noch einmal versuchen, den Drehort des Familienwohnhauses aufzusuchen. Daraus wird wieder eine schöne Wanderung, und jemand sieht auch kurz eine Walflosse unten im türkisblauen Meer.

Das letzte Stück des Weges endet etwas unterhalb der Gebäude an einem verschlossenen Privat-Tor. Aber wir schauen nach oben und überlegen, welches Haus jetzt welches ist. Dann schreiten wir zurück zum Auto.

Es trägt uns nach Castletownbere, wo wir einen Imbiss nehmen und dann den Weg zum nordwestlichen Steinkreis. Der ist normal, aber sonnenbeschienen. Von hier oben sieht man auch die künftigen Investitionsruinen rund um das Dunboy Castle.

Ein Stück weiter (als man vermutet) soll es noch einen prägeschichtlichen Ringwall geben. Zwei Leute, die wir für Einheimische halten, können sich nicht so recht darauf besinnen, aber wir finden etwas so Seltsames… Das muss es einfach sein.

Torf-Torte?

Vielleicht lässt es sich am einfachsten als Torf-Torte beschreiben. Der durch Torfabbau und Drainage abgesunkene Boden gab ein rundes Landstück frei, etwa 30m im Durchmesser. Durch einen uralten Ringwall verdichtet, sank es einfach nicht mit. Wenn man genau hinsieht, erscheint einem der Rand des Walls tatsächlich künstlich.

Der Rückweg über die Wiese wird fußnass, aber, heh, heh, die echte Fußnässe kommt erst noch.

Zu Hause beschließt eine Subgruppe (inkl. Irlandfan), nun doch den Spaziergang zum Meer zu wagen. Es hat ja nicht mehr geregnet und der Weg sieht stellenweise trocken aus.

Ist er auch. Der Spaziergang ist sehr schön. Die Abendsonne leuchtet auf Steine, Wiesen und Wellen.

Sonne, Wind und Wellen

Der Rückweg wird das Problem, weil wir versehentlich nicht den umgekehrten Hinweg wählen, und obwohl wir dem Haus immer näher kommen, wird es durch sehr weiche und nasse Wiesen immer unerreichbarer. Also, Schuhe aus und durch. Nach dem zweiten Schritt stehe ich bis zu den Knien in der Pampa, und Irland klebt an mir und ich an der Hoffnung, dass die Sinkrate gegen 0 geht, was sie allerdings nur asymptotisch tut.

Langsam wird das gruselig. Ich kehre vorsichtig um (schon nicht ganz einfach), und wir finden einen anderen Weg, der nur bis zu den (Fuß-) Knöcheln steigt, und sind wieder zu Hause. Die Ortskundigen hat das alles sehr erheitert.

Am heutigen Abend findet in CB eine von den Einwohnern lang ersehnte Kulturveranstaltung statt. Offenbar ist abgesehen von Pub-Sessions in der Nebensaison nicht so viel los. Die Band „The Lowest Pair“ tritt im High Tide Club auf, der so heißt, weil er genau dann ein Club, also eine private Gesellschaft, ist, wenn hohe Tide ist. Dann kommt man höchstens durch Balancieren auf einer schmalen Mauer hin. Das ist übrigens auch dann nötig, wenn man die Toiletten in einem befreundeten Pub aufsuchen möchte.

Die Band ist nicht so ganz mein Geschmack, aber unterhaltsam. Der Club selbst ist sehr schön in einer kleinen alten Halle direkt am Hafen. Oben ist diverse lokale Kunst ausgestellt.

Interrupt des Tages: Schau, hier ist der Boden noch fe…

Sonnenirland
Karsamstag, 31.3.2018

Tor nach Westen

Die Sonne scheint allen, die aufstehen, weiterhin unbarmherzig ins Gesicht. Lasst uns Pläne schmieden! Vor ein paar Monaten war ich im Netz virtuell über ein paar Gemälde gestolpert, die so genannte Sea Arches bei Allihies zeigten. Ach nee. Das kannte ich noch nicht, obschon mehrfach dort vorbeigekommen, zum Beispiel im letzten Jahr. Offenbar sind sie von der Straße aus nicht zu sehen. Viel mehr habe ich dazu nicht gefunden, nicht mal Postkarten.

Und da wollen wir hin.

Vorsichtshalber mit Gummistiefeln.

Auf dem Weg Richtung Allihies ignorieren wir vorerst den hiesigen Mass Rock, weil er zur Freude der zaudernden Faulheit von der Straße nicht klar zu erkennen ist. Wer weiß, wie weit das ist. Vielleicht ist ja nachher Zeit. Außerdem blockieren die wenigen Besucher mit ihren paar Autos unglaublich geschickt eine große Parkfläche.

Wir fahren über den kleinen Pass und blicken auf die Bucht von Allihies. An einem unscheinbaren Zauntor an der Straße verkeilen wir das Auto, so gut es geht, am Rand der Straße, klettern in die Gummistiefel und folgen dem Trumpelpfad. Er führt entlang einer kleinen Bucht und der felsigen Küste, immer höher hinauf. Modder enthält er so gut wie keinen. Bei jedem Schritt gibt es neue Sichten auf die Felsen, das Meer und die Berge.

Weiter oben stehen wir dann auf dicken, hohen Felsbrücken und staunen schwindelnd in tiefe Löcher. An manchen Stellen kann man auch wieder absteigen und direkt in den Meeresspiegel und durch die Tunnel blicken.

Mittag-essen-wir in Allihies und legen uns dann an den Garinish-Strand.

Und auf der Rückfahrt schaffen wir es tatsächlich, den Messestein zu besuchen. Der ist an sich nichts Besonderes, aber die Aussicht ist toll. Und das Kopfkino zeigt heute folgenden Kurzfilm: Wie mag es gewesen sein, hier bei Wind oder Wetter einen Gottesdienst abzuhalten? Und wenn während der Penal Laws wirklich alle Messen verboten waren und sie wirklich geheim abgehalten wurden: ist das so schlau hier oben? Man sitzt ja wie auf einem Präsentierkorb und ist meilenweit zu sehen.

Wort des Tages: Re-tired.

Eastern in Irland
Ostersonntag, 1.4.2018

Na wen haben wir denn da?

Es ist Ostern! Der Erlöser ist auferstanden und hat bunte Eier und Schokoladenhasen mitgebracht. Ist ja nachvollziehbar.

In Deutschland jedenfalls.

In Irland? Hm. Seit Tagen suchen wir die Verkaufsstellen auf Beara nach weißen Eiern ab. Es gibt aber nur braune, und Fragen wirken wie unsichtbare Schnüre, die die Augenbrauen in seltsamen Winkeln nach oben ziehen. Wir sind dann in Eyeries fündig geworden, weil dort nebenbei Eier von örtlichen Farmern verkauft werden:

„Um. You want white eggs?“

„Yes, please… Because we want to paint them.“

„Aaaah, I know what you mean…“

Vielleicht fühlt sich das ja so ähnlich an, wenn man hier Mitte Dezember einen nicht zu großen abgesägten Nadelbaum kaufen möchte.

Es ist nicht so, dass bunte Eier im Zusammenhang mit Ostern völlig unbekannt sind. Es färbt nur niemand (wie auch, wenn alle Eier braun sind). Auch bekommt man ein paar Schokohasen, aber nicht so divers und bestenfalls die auch in Deutschland greifbare Massenware.

Fest des Frühlings! Es ist aber kalt und windig und es regnet quasi den ganzen Tag. Darum fahren wir auch nicht zur ursprünglich avisierten Eierjagd („egg hunt“ – was auch immer das ist; das Kopfkino hat Sonntags zu) am Travara-Strand.

Wir färben alle sechs derzeit auf Beara befindlichen weißen Eier bunt. Die Farben haben wir wohlweislich mitgebracht, nur daran, dass es keine weißen Eier geben könnte, haben wir nicht gedacht. Es hätte bei der Flughafen-Kontrolle bestimmt Komplikationen gegeben. („Ey, komma her, die ham hier Eia in ihr Jepäck.“ – „Vascheißan kann ick mich… Nee, oda?“ – „Is dit nu ne Flüssigkeit?“ – „Woher soll ick dit wissen? Is det erst Mal, dasswa hier Eia durchleuchten.“)

Als kleines Ostergeschenk für uns betrachten wir diesen wunderbaren Urlaub. Draußen regnet es waagerecht, die Sicht ist bescheiden. Der Tag vergeht mit Faulenzen und ähnlichen Tätigkeiten.

Zum Abend fahren wir nach Castletownbere ins MacCarthy’s, weil es dort heute irische Livemusik gibt.

Und das stimmt. Es ist ein schöner Pub-Abend mit toller Musik, wie er in Büchern nicht schöner beschrieben werden könnte, bei denen man denkt, dass die Romantik hier aber mit der Maurerkelle ausgeschenkt wird.

Erklärt unromantisch ist der kompakte Mann, der erst meine Hand behandelt wie ein Maurer eine Kelle, mich fragt, wo ich herkomme, und mir dann eine ganze Weile völlig unverständliches Zeug ins Gesicht spricht. Er ist natürlich sturzbetrunken, aber senkrecht und ziemlich höflich. Als er später tatsächlich stürzt, entschuldigt er sich ausführlich bei allen Getroffenen und geht nach Hause.

Um neun verlassen wir das Pub aus rechtlichen Gründen (es könnten ja Kinder dabei sein). Der Wind peitscht den Regen und uns, glücklicherweise in Richtung Auto.

Und ich bekomme einen soliden grippalen Effekt. Ich bin natürlich keins von diesen Männerschnupfen-Weicheiern! Ich sterbe hier wirklich gleich.

Problem des Tages: Henna-Ei.

Steine vor Irland
Ostermontag, 2.4.2018

Ballycrovane Ogham Stone

Der lange Abend gestern verhindert ein verfrühtes Frühstück. Das Wetter trübt die Gegend, aber nicht die Laune. Zum Mittag gibt es Chili gan carne, was ein vegetarisches Gericht und ein irisches Wortspiel in einem ist: gan heißt „ohne“.

Wir brechen zusammen mit den Einheimischen auf, um es nochmal mit dem großen Ballycrovane-Ogham-Stein bei Eyeries zu versuchen. Der steht ja auf Privatbesitz, aber die wunderlichen Privatbesitzbesitzer stehen nicht so auf Besucher, was man mehreren Schildern entnehmen darf. Die Einheimischen fragen vorsichtig an, ob die deutschen Freunde mit rein dürften, weil sie ja extra so einen weiten Weg gekommen wären. Ein für uns unsichtbarer Mensch genehmigt nach längerer Diskussion den Zutritt.

Wir steigen über matschige Wiesen auf einen kleinen Hügel und erwischen oben den Stein, als er es nicht erwartet hat. Er ist wirklich ziemlich groß. Es beginnt ein gründlicher Drizzle, mit dem der Wind so seine Spässeken treibt.

Wir fahren weiter zum Steinkreis von Ardgroom, der auch von mehreren nassen Wiesen geschützt wird und den wir durchschnittlich finden. Wir beschließen, die erhoffte Betterwesserung im Ardgroomer Café abzuwarten. Dort gibt es neben Café auch so etwas wie Cold Dog. Auf Englisch nennt man diesen übrigens „a piece of that funny looking chocolate cookie ähm whatever cake, please“.

Steilküste am Pulleen Walk

Überraschenderweise tritt die Wesserung tatsächlich ein, und darum fahren wir zum Pulleen Walk, der sich östlich von Ardgroom an das Meeresfelsentor anschließt, bei dem wir auch im letzten Jahr waren, nur nicht so weit. Die Wanderung entlang der Steilküste ist sehr empfehlenswert. Schon wieder sieht jemand einen Wal.

Wir laufen fast bis zum Ende, verlieren uns dann aber teilweise aus den Augen. Am Bewuchs liegt es nicht, der fehlt nämlich, aber an den parallel zum Weg verlaufenden Bergundtalrinnen, in denen man hervorragend und ohne es zu merken in geringer Entfernung aneinander vorbeilaufen kann, wenn man keinen drei Meter großen Wimpel bei sich führt.

Das Zusammenfinden im Funkloch und bei Windlärm ist nicht so einfach, am Ende aber erfolgreich.

Am Abend gibt es neben Essen noch heißen Whiskey als Medikament und den Film „Loving Vincent“: bildlich zauberhaft, aber sprachlich kommen wir nicht ganz mit.

Groove des Tages: Off-beat.

Irland in Wellen
Dienstag, 3.4.2018

Regennachwirkung

Am Morgen heult der Wind ums Haus und schlägt Unvorsichtigen viele harte Regentropfen ins Gesicht. Wir warten bis zum Mittag, wo das Wetter besser wird, und wandern zur Straße und zu einem kleinen Pier an der Steinküste.

Der vergangene Regen hat die kleinen Bäche, die überall durch die Landschaft gurgeln, stark anschwellen lassen. Auch am Pier mündet ein Rinnsal ins Meer, heute aber sehr breit über eine Steinkante und ohrenbetäubend laut.

Inzwischen scheint sogar die Sonne, und zwar kräftig. Wir fahren in die Burgstadt von Beara und treffen uns dort mit den Einheimischen. Zusammen spazieren wir am Strand der Industrieinsel Dinish Island entlang und finden viele Muscheln und anderes Strandgut. Oben lärmen Laster und Traktoren umher und legen Netze in langen Reihen auf der Straße ab, um sie dann wieder aufzuwickeln oder was man eben damit macht.

Am Rand gibt es auch ein kreativ und eindrucksvoll gestaltetes Denkmal für die Castletownberer Fischer, die im Meer ihr Leben verloren. Zwei Fischer-Statuen tragen ein symbolisches Boot und gucken wie Leute, die noch ganz andere Lasten tragen.

Denkmal auf Dinish Island

Weil noch Zeit ist, fahren wir nochmal unter sinkender Sonne über den zumindest oben noch sonnenfleckenbeschienen Healy Pass.

Russlandbezug des Tages: Das Fischwesen entwickelt sich.

Rückkehr aus Irland
Mittwoch, 4.4.2018

Kurz vor Molls Gap

Frühstück und Packen gehen Hand in Hand, und auch die Planung für den Tag. Der Flug nach Berlin geht erst am späten Nachmittag. Wir beschließen, in Killarney das Mittagessen und den Souvenirkauf abzuwickeln und dann noch zu einer Höhle ein Stück hinter dem Flughafen zu fahren.

Davor liegt der Abschied – sicher nicht der Letzte – und die Fahrt im strahlenden Sonnenwind. Dadurch kommt die gelbe Landschaft vom Moll’s Gap und vom Ladies‘ View viel besser zur Geltung.

Kurz vor Killarney

Killarney finden wir ziemlich „busy“ und voll, obwohl es ein Werktag ist, und auch die Ferien sind vorbei. Der Fänger zieht sich in eine Parklücke zurück, und wir essen Burger ein paar Ecken weiter.

Dann treiben wir durch die Stadt und kaufen einige Kleinigkeiten. Beim ersten bewussten Einkauf in einer irischen Apotheke fällt mir auf, wie auffällig diverse Verhütungsmittel präsentiert werden. Das ist eindeutig schon die Quengelwaren-Zone. Auch wenn ich es nicht mitbekommen habe [Dann recherchiere doch mal, du Nase. – Red.], riecht es für mich sehr nach einer erst kürzlich erstrittenen Freigabe, und nun werden die Jahrzehnte der ungewollten Schwangerschaften ein bisschen überkompensiert.

Wir entwickeln das Gefühl, dass der Höhlenbesuch etwas knapp würde, falls wir gleichzeitig an dem Plan festhalten wollen, nach Hause zu fliegen. Und obwohl uns Killarney nach einer Woche Beara kolossal auf den Wecker fällt, bleiben wir noch ein bisschen und verschieben den Höhlenbesuch auf ein anderes Mal.

Tanken müssen wir auch noch, und dann fahren wir zum Flughafen. Auf dem Parkplatz haben wir noch nicht mal den Motor aus, als uns bereits zwei Angestellte umschwirren wie TIE-Jäger einen Sternenzerstörer. Wir kommen gerade noch dazu, unser Gepäck hinauszuwerfen, dann wird der Fänger zum Schrubben gebracht. Es kommen ja wieder viele Leute aus dem Flugzeug, in das wir steigen wollen.

Wie es aussieht, sind wir die ersten, die zum Abflug antreten. Der Flughafen ist niedlich wie ein kleines Kätzchen und wirkt wie ein Familienbetrieb. Junge Damen am Checkin, junge Männer an der Sicherheitskontrolle, ältere Damen im Souvenirshop sowie im Clinch mit der Kaffeemaschine, und weitere Leute (zum Beispiel Männer in bisher fehlenden Altersklassen) wahrscheinlich draußen.

Ich möchte den Angestellten kein – möglicherweise ungewolltes – Verwandtschaftsverhältnis unterstellen. Aber es wirkt eben so.

Bedauerlicherweise verlassen wir Irland und landen um 23:15 Uhr in Berlin-Schönefeld. Alles weitere dauert etwas länger, zum Beispiel das Warten auf einen Nachtruheplatz für das Flugzeug, einen zweiten Bus oder das Gepäck.

Querverweis des Tages: Direkt im Anschluss beginnt die Wartezeit auf die nächste Reise.

 

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